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    1. Forschungsstand und Forschungsidee

     

    Forschungsstand: „Religion“ ist nach wie vor ein weitgehend ungeklĂ€rtes und umstrittenes Kon­zept. Besonders aufschlussreich sind dabei die kontroversen Diskussionen innerhalb der Religi­onswissenschaft (Bergunder 2011). Als ein interessanter und folgenreicher Effekt derselben hat sich in den letzten beiden Jahrzehnten ein gewisser Konsens der Forschung darĂŒber gebildet, dass das heutige ReligionsverstĂ€ndnis in seiner Genese ein Produkt der europĂ€ischen Geistes­geschichte darstellt und seine heutigen Verwendungsweisen auf das 19. Jahrhundert zurĂŒckge­hen, mit markanten VorlĂ€ufern im Deismus und in der AufklĂ€rung (Wagner 1991, Feil 2000, Ber­gunder 2009a). Damit verbunden wird meist die Annahme, dass im 19. Jahrhundert ein viel­schich­tiger globaler Aushandlungsprozess stattfand, in dessen Folge Religionsdiskurse aus Europa auch Eingang in nicht-westliche Kontexte fanden (Peterson/Walhof 2002). Das zentrale Problem ist, dass zum Beleg dieser zweiten Annahme bisher weitgehend die entsprechende his­torische For­schung fehlt und dort, wo sie existiert, ihre methodischen Voraussetzungen nicht be­friedigend geklĂ€rt sind.

    Diejenigen historischen Untersuchungen, die sich bisher ausfĂŒhrlicher mit dieser zweiten An­nahme beschĂ€ftigt haben, sind dem globalgeschichtlichen Ansatz verpflichtet. Zu nennen sind hier vor allem Bayly (2006), Beyer (2001, 2006) und Osterhammel (2009). AuffĂ€llig an diesen EntwĂŒr­fen ist, dass sie tendenziell drei unterschiedliche VerstĂ€ndnisse von „Religion“ miteinander ver­schrĂ€nken. Erstens werden Christentum, Islam, Hinduismus und Buddhismus als „Weltreligio­nen“ oder „große Religionen“ charakterisiert, so dass de facto ein heutiger zeitgenössischer ana­lytischer Religionsbegriff zugrunde gelegt wird. Zweitens wird bei diesen „Weltreligionen“ die Ausbildung von „religiöser UniformitĂ€t“ (Bayly 2006: 409) angenommen. Diese allgemeine Ent­wicklung zur „religiösen UniformitĂ€t“ ist nun, so die Forschung, drittens damit verbunden, dass sie mit einer zunehmenden bewussten Selbstzuschreibung der eigenen Tradition als „Religion“ ein­herging.

    Die globalgeschichtlichen AnsĂ€tze treffen sich mit der zentralen Einsicht der Postkolonialis­mus-Forschung, dass der Kolonialismus des 19. Jahrhunderts die nichtwestlichen Kulturen und Gesell­schaften zu einer Auseinandersetzung mit westlichen ReprĂ€sentationsweisen zwang und dadurch verĂ€nderte. Dies trifft in besonderer Weise auf die Frage der „Religion“ zu (Nehring 2005, Nehring 2008). Der Zugang zur Geschichte innerhalb der Postkolonialismus-Forschung zeichnet sich dadurch aus, dass keine heuristisch-analytische Definition von Religion vorausge­setzt, sondern eine konsequente Historisierung betrieben wird. Die Untersu­chung konzentriert sich dabei auf die explizite ReprĂ€sentation von „Religion“ innerhalb eines kolonialen Kontex­tes (vgl. z. B. Inden 1990, King 1999, Dirks 2001, Nehring 2003). Allerdings kann die postkoloniale Forschung ihren eigenen Anspruch bisher nicht vollstĂ€ndig einlösen, da die kon­krete Beteiligung nicht-westlicher Akteure oft nur kursorisch angesprochen wird (Masuzawa 2005: 282, Beyer 2006: 16). Es gibt allerdings erste wegweisende regionalspezifische Forschungen, die versuchen, das komplexe Zusammenspiel westlicher und nicht-westlicher ReprĂ€sentationsweisen gemeinsam zu erfassen (vgl. z. B. Hatcher 2008, McMahan 2009), die sich auch zunehmend ausdrĂŒcklich der Religionsfrage zuwenden (Yang 2008, Nedostup 2009, Josephson 2012).

    Forschungsdesiderate: Aus dem dargestellten Forschungsstand ergeben sich zwei zentrale De­siderate: 1. Obwohl es in der Forschung inzwischen weitgehend unumstritten ist, dass das Thema Religion fĂŒr das VerstĂ€ndnis des langen 19. Jahrhunderts entscheidend ist, fehlt sowohl der glo­balgeschichtlichen als auch der postkolonialen Forschung zur „Religion“ die Verifikation durch die philologisch und regional spezialisierte Forschung. 2. Die oben diskutierte globalge­schichtliche VerschrĂ€nkung dreier unterschiedlicher Perspektiven wird durch eine analytische Re­ligionsdefini­tion als strukturierender Zugang des historischen Materials zusammengehalten. Da­bei wird die religionswissenschaftliche Diskussion nicht berĂŒcksichtigt, der zufolge beim gegenwĂ€rtigen For­schungsstand jede analytische Religionsdefinition notwendigerweise umstrit­ten bleibt und damit keinen sicheren Ausgangspunkt fĂŒr eine Historisierung darstellt.

    Forschungsidee: Aus diesen beiden Desideraten ergeben sich die materiale und die program­matische Forschungsidee des geplanten Promotionskollegs. 1. In materialer Hinsicht soll die "glo­bale Religionsgeschichte" (Bergunder 2011, Kollmar-Paulenz 2013) des 19. und frĂŒhen 20. Jahrhunderts aus der Perspektive der philolo­gisch und regional spezialisierten Forschung erforscht werden. 2. In programmatischer Hinsicht soll die problematische Verdopplung des historischen VerstĂ€ndnisses von „Religion“ im 19. Jahr­hundert durch moderne analytische Religionsbegriffe vermieden und ein alternatives For­schungsprogramm formuliert werden, das auf einer konsequenten Historisierung der Fragestellung beruht.

    2. Methodische Leitbegriffe

     Die konsequente Historisierung der Fragestellung, die als programmatisches Anliegen formuliert wurde, soll methodisch dadurch umgesetzt werden, dass sich das Promotionskolleg an den bei­den zentralen Leitbegriffen Genealogie und Dezentrierung orientiert.

    Genealogie (Historisierung): Wie Friedrich-Wilhelm Graf angemahnt hat, erfordern religionsbezo­gene Fragestel­lungen „neue Strategien der Historisierung“, um „die Reifizierung von Allgemeinbe­griffen zu ver­meiden“ (Graf 2004: 238). Das geplante Promotionskolleg fĂŒhlt sich einem derartigen Ansatz verpflichtet. So gibt es zum einen eine spezifische Bestimmung des Untersuchungszeit­raums, der fĂŒr alle Dissertationsvorhaben verbindlich ist. Dieser zeitlichen Eingrenzung auf das 19. und frĂŒhe 20. Jahrhundert liegen jedoch keine eigenen Epoche-Konzeptionen zugrunde, sondern sie ergibt sich aus dem Anliegen, die Thesen des globalgeschichtlichen Ansatzes zu ĂŒberprĂŒfen. Dabei ist zu erwarten, dass sich im Zuge der gemeinsamen Arbeit innerhalb des Promotionskol­legs wei­tere Differenzierungen des Untersuchungszeitraums ergeben werden. Zum anderen sollen bei der gemeinsamen Arbeit RĂŒckprojektionen heute gĂ€ngiger analytischer Konzepte bzw. „naturali­sierter“ Begriffe von Religion oder auch den Weltreligionen („Christentum“, Hinduismus etc.) auf das historische Material konsequent vermieden werden, um die angesprochene Gefahr von Zir­kelschlĂŒssen weitest möglich zu umgehen.

    Allerdings ist eine erste Identifizierung der UntersuchungsgegenstĂ€nde im RĂŒckgriff auf die heu­tige Forschungsperspektive unumgĂ€nglich, die notwendigerweise von der religiösen Gegenwarts­situation ausgehen muss. In der weiteren Arbeit macht es sich das Kolleg aber zum Anliegen, in einer strikt historisch-genealogischen Weise vorzugehen, die der Konstruktion von Teleologien entgegenwirken soll, die fĂ€lschlicherweise eine notwendige und lineare Entwicklung der heutigen (Selbst-)VerstĂ€ndnisse der Religionen aus dem 19. Jahrhundert her suggerieren. Dieses methodi­sche Vorgehen hat sich bereits in anderen ForschungszusammenhĂ€ngen bewĂ€hrt, wo analyti­sche Gegenstandsbestimmungen ebenfalls besonders umstritten sind, wie in der religionswis­senschaft­lichen Esoterikforschung (Bergunder 2010), oder der interdisziplinĂ€ren Pentekostalis­mus-For­schung (Bergunder 2009b, Haustein 2011). Die diachrone Rekonstruktion von UntersuchungsgegenstĂ€nden hat dabei in der Gegenwart ihren Ausgangspunkt und geht von der Gegenwart in die Vergangenheit, lĂ€uft in gewisser Weise also der gĂ€ngigen Chronologie ent­gegen (de Certeau 1991). So werden PhĂ€nomene der Vergangenheit als entwicklungsoffen be­griffen und nicht zu „VorlĂ€ufern“ oder „UrsprĂŒngen“ eines spĂ€teren status quo reduziert.

    Konkret heißt dies, dass als Ausgangspunkt der Gegenstandsbestimmung die Tatsache steht, dass heute „Christentum“, „Islam“, „Hinduismus“ und „Buddhismus“ als „Religionen“ oder „Weltre­ligionen“ gelten und sich nach dem gegenwĂ€rtigen Forschungsstand eine genealogische Konti­nuitĂ€t zu gleichnamigen EntitĂ€ten bis ins 19. Jahrhundert herstellen lĂ€sst. Jedoch mĂŒssen diese EntitĂ€ten im 19. Jahrhundert allein aus der zeitgenössischen historischen Artikulation heraus be­stimmt werden, und nicht im Blick auf spĂ€tere VerstĂ€ndnisse. Damit muss sich auch jegliche „Uni­formierung und Homogenisierung der Weltreligionen“ (Bayly) konkret in der zeitgenössischen De­batte zeigen lassen.

    Ebenso funktioniert der Zugang zum Gegenstand „Religion“. Das geplante Promotionskolleg untersucht „Religion“ im 19. Jahrhundert nicht als Vorstufe eines heutigen ReligionsverstĂ€ndnis­ses oder setzt die ZentralitĂ€t des Konzeptes im Untersuchungszeitraum voraus. Es wird nicht von vor­neherein davon ausgegangen, dass der damalige Gebrauch von „Religion“ dem heutigen Sprach­gebrauch entspricht. Aufgrund des bisherigen Forschungsstands kann es zwar als gesi­chert gelten, dass BezĂŒge auf „Religion“ im 19. und frĂŒhen 20. Jahrhundert in „Christentum“, „Islam“, „Hinduismus“ und „Buddhismus“ in so­zialen Transformationsprozessen eine zentrale identitĂ€tsstif­tende Rolle spielten. Die genauen Zusammen­hĂ€nge mĂŒssen sich aber jeweils konkret in der Geschichte aufweisen lassen. Dadurch kommen auch dezidierte Verweigerungen, Relativierungen und Umwertungen von „Religion“ in diesen vier En­titĂ€ten vorbehaltlos mit in den Blick. Negative Positionierungen können als IdentitĂ€tsmarker des­selben Aushandlungsprozesses und nicht als affirmative oder negative Aussagen ĂŒber ein vor­gĂ€ngiges Wesen der jeweiligen PhĂ€nomene verstanden werden.

    Dezentrierung: Die allgemein geteilte Einsicht einer historischen Bedingtheit von „Religion“ lĂ€uft Gefahr, Religion als „westliche Erfindung“ zu verstehen, die sich erst in einem zweiten, davon klar unterscheidbaren Schritt globalisiert hat (McCutcheon 1997, Fitzgerald 2000). Ein solches histo­riographisches Narrativ unterschĂ€tzt leicht die komplexen Wechselwirkungen und Adaptionspro­zesse globaler Diskurse im 19. und frĂŒhen 20. Jahrhundert, einschließlich deren Vorgeschichte (App 2011). Dem möchte das Promotionskolleg dadurch Rechnung tragen, dass es sich um eine umfassende „Dezentrierung“ von Konzepten und historischen Beziehungen bemĂŒht. Der Begriff „Dezentrierung“ stammt aus den Kulturwissenschaft und hat in den letzten Jahren eine breite Re­zeption erfahren, die seine LeistungsfĂ€higkeit bewiesen hat. Er geht auf Stuart Hall zurĂŒck, einen der BegrĂŒnder der englischen „Cultural Studies“. In einem SchlĂŒsselaufsatz zur Frage nach dem Zusammenhang von Globalisierung und kultureller IdentitĂ€t aus dem Jahre 1992 argumentiert er, dass die modernen „Nationalkulturen“ in ihrer „ErzĂ€hlung der Nation“ eine „kulturelle ‚Zentriert­heit‘“ propagieren, die ihre HybriditĂ€t verschleiere. Von daher sei eine „Dezentrierung“ nationaler Identi­tĂ€tsbildungen notwendig, um diese HybriditĂ€t offenzulegen (Hall 1994). Das Promotionskolleg versteht, wie heute weithin ĂŒblich, unter Dezentrierung ganz allgemein die historisch-genealogi­sche Hinterfragung allgemeingĂŒltiger, vereinheitlichender Bedeutungsfixierungen.

    In der gemeinsamen Arbeit des Promotionskollegs soll Dezentrierung in drei Aspekten zum Tragen kommen. Erstens wird sie in einem allgemeinen Sinn als konzeptuale Dezentrierung im Horizont einer Globalgeschichte verstanden. GemĂ€ĂŸ den Erkenntnissen der Globalgeschichte und der Postkolonialismusforschung wird davon ausgegangen, dass im 19. Jahrhundert zahlrei­che Themenstellungen, nicht zuletzt auch „Religion“ und ihr verwandte Konzepte, eine globale Diskus­sion erfuhren. Das Beispiel „Religion“ zeigt dabei besonders deutlich, dass derartige glo­bale Themenstellungen oftmals als im Kern „westliche“ identifiziert und damit durch die For­schung zentriert und lokalisiert werden. Die grundlegende Annahme des Promotionskollegs ist dagegen, dass sich das Vorhandensein globaler Themenstellungen erst historisch-diskursiv er­weisen muss. So beanspruchten europĂ€ische Denker fĂŒr den „Westen“ im Kontext des Imperia­lismus im 19. Jahrhundert die „Wissenschaft“ und die „Vernunft“ als kulturelles Alleinstellungs­merkmal. Wenn im Kontext der europĂ€isch-amerikanischen Vormacht­stellung des 19. und frĂŒhen 20. Jahrhunderts „westliches Wissen“ eine unhintergehbare Referenz in lokalen IdentitĂ€tsbildungsprozessen dar­stellte, dann hĂ€ngt das damit zusammen, dass es zugleich mit dem Anspruch, „universales Wis­sen“ zu sein, aufgetreten ist (Chakrabarty 2000). Dabei ist damit zu rechnen, dass „globale“/„westliche“ und „traditionelle“/„orientalische“ Positionierungen aufeinan­der bezogene Neuerfindungen darstellen können. Aufgrund dieser prinzipiellen ErwĂ€gungen wird das Promo­tionskolleg danach fragen, welche universalen AnsprĂŒche in den jeweiligen Quellen artikuliert wer­den und ob bzw. wie diese im Rahmen eines globalen Diskurses verortet werden.

    Die Frage nach universalen AnsprĂŒchen kann jedoch nicht getrennt werden von der Frage nach dem RĂŒckgriff auf die Tradition. Die Herausarbeitung und Analyse von TraditionsbezĂŒgen im Kon­text globalgeschichtlicher Dynamiken ist ein zentrales Anliegen des geplanten Promotionskollegs. Das Promotionskolleg geht davon aus, dass es mit dieser spezifischen Sichtweise auf Universali­smus und Tradition als miteinander verbundene Konzepte einen originĂ€ren Beitrag zur Identifika­tion und zum besseren VerstĂ€ndnis von globalen Themenstellungen im 19. Jahrhundert und ihrer Positionierung in einem kolonialen Kontext leisten wird.

    Genauso wie Universalismus und Tradition eine konzeptuale Dezentrierung erfahren sollen, mĂŒssen die IdentitĂ€tsbildungsprozesse selbst dezentriert werden. Die bisherige Forschung hat gezeigt – und die Arbeit des Promotionskollegs will dies weiter herausarbeiten – dass im Unter­suchungszeitraum die IdentitĂ€tsbildungen innerhalb von „Christentum“, „Islam“, „Hinduismus“ und „Buddhismus“ im Kontext vielschichtiger verwandter Semantiken erfolgten. Positionierungen als „Religion“ ĂŒberschneiden sich mit anderen identitĂ€tsstiftenden Konzepten, insbesondere „Mo­derne“, „Wissenschaft“ (Szientismus), „Philosophie“ und „Nation“, aber auch „Atheismus“, „SĂ€kula­rismus“, „Rasse“, „Zivilisation“, „Kultur“, „Tradition“. Es ist das gemeinsame Anliegen des Promotionskollegs, durch den besonderen Fokus auf konzeptuale Dezentrierungs-Dynamiken eindimensionale historiographische Narrative zu ĂŒberwinden.

    Neben der konzeptualen Dezentrierung wird zweitens eine historische Dezentrierung von „Religion“ angestrebt, die drei Aspekte umfasst:

    a) Es soll vermieden werden, ein fixiertes westliches ReligionsverstĂ€ndnis fĂŒr das 19. Jahrhundert anzunehmen, wie es in der Rede vom „westlichen“ Religionsbegriff und im Gedanken der sekun­dĂ€ren globalen Dissemination, die nach einem Zentrum bzw. Ausgangspunkt verlangt, angelegt ist. Es kommt darauf an, die kontroversen und vielschichtigen Debatten um den Reli­gionsbegriff innerhalb Europas und Nordamerikas sowie seine strategische Verwendung in die­sen Kontexten im Blick zu behalten. Deswegen sollen einzelne Dissertationsvorhaben auch aus­drĂŒcklich westlich-christliche, westlich-esoterische Perspektiven sowie auch die zeitgenössische religionswissen­schaftliche Diskussion thematisieren. Auf diese Weise soll eine differenzierte Sicht auf westliche Religionsdebatten, wie z. B. bezĂŒglich Religionskritik, Naturwissenschaft oder SÀ­kularisierung, innerhalb des Promotionskollegs gewĂ€hrleistet werden.

    b) Weiterhin ist anzunehmen, dass mit jeder Rezeption eines „westlichen“ ReligionsverstĂ€ndnis­ses in „nicht-westlichen“ Kontexten eine Verschiebung seiner Bedeutung einhergeht, also jede Rezep­tion auch in dieser Hinsicht eine Dezentrierung darstellt. In diesem Prozess können sich betrĂ€chtli­che Dynamiken zeigen, die ein erhebliches Transformationspotential besitzen, in denen eigensinnige Interessen „nicht-westlicher“ Akteure zum Vorschein kommen und die zugleich auch Widerstand gegen westliches Wissen artikulieren können (Bhabha 2000).

    c) Wenn nicht von einem fixierten westlichen ReligionsverstĂ€ndnis ausgegangen werden kann, ist auch damit zu rechnen, dass es innerhalb der globalen Austauschprozesse des 19. und frĂŒhen 20. Jahrhunderts aufgrund von RĂŒckwirkungen selbst wieder verĂ€ndert wurde. Deswegen soll Globalgeschichte auch als „Verflechtungsgeschichte(n)“ (entangled histories) untersucht werden, in der „die miteinander in Beziehung stehenden EntitĂ€ten 
 selbst zum Teil ein Produkt ihrer Ver­flechtung“ sind (Conrad/Randeria 2002: 17). Dieser Aspekt soll in allen Dissertationsvorhaben, die Europa und Amerika bearbeiten, zentral bedacht werden.

    Drittens lĂ€uft eine zu einseitige Orientierung an einem „westlichen“ Religionsbegriff als Angel­punkt der Untersuchung Gefahr, sich nur auf direkte Austauschprozesse zwischen „westlichen“ und „nicht-westlichen“ Gesellschaften zu konzentrieren. Diese einlinige topographische Denk­richtung gilt es ebenfalls zu dezentrieren, da damit andere relevante transkulturelle Austausch­prozesse ausgeblendet werden (topographische Dezentrierung).

    Praktische EinschrĂ€nkungen des Untersuchungsbereichs: Da das Promotionskolleg nur sechs Stipendien vorsieht und die beteiligten Wissenschaftler nur ĂŒber bestimmte regionale Expertisen verfĂŒgen, muss der Untersuchungsbereich auf Nordamerika, Europa, SĂŒdasien und Japan be­grenzt werden. Soweit es praktikabel ist, wird aber angestrebt, den arabischen Raum, China und SĂŒdostasien mitzubedenken.