Vernetzung der Promotionsthemen
Die Dissertationsvorhaben orientieren sich zunächst an den methodischen und theoretischen Traditionen der jeweiligen Fachdisziplinen, und die inhaltliche Relevanz und die Themenstellung müssen aus disziplinärer Perspektive begründet werden. Zugleich werden jedoch alle Dissertationsprojekte das gemeinsame Forschungsprogramm umsetzen. Dieses besteht, neben den bereits erläuterten methodischen Leitbegriffen, aus zwei Leitthemen und einer gemeinsamen Vergleichsperspektive.
1. Leitthemen
Aufgrund des oben skizzierten Forschungsstandes werden zwei zentrale Leitthemen für eine globale Religionsgeschichte des 19. und frühen 20. Jahrhunderts formuliert. Konkret geschieht dies im Rückgriff auf die eingangs markierten drei globalgeschichtlichen Perspektiven. Auf eine vorgängige analytische Religionsdefinition wird dabei vor dem Hintergrund des genealogischen Ansatzes und der konzeptualen, historischen und topographischen Dezentrierung bewusst verzichtet. Die anderen beiden globalgeschichtlichen Perspektiven bilden jedoch eine tragfähige Ausgangsbasis für die gemeinsame thematische Arbeit: 1. Uniformierung (Bayly) oder Ausdifferenzierung (Beyer) von „Christentum“, „Islam“, „Hinduismus“ und „Buddhismus“ (= Leitthema I). 2. Herausbildung eines globalen Religionsdiskurses (= Leitthema II).
Das Leitthema I (Uniformierung) ist die Untersuchung vereinheitlichender Identitätskonzepte. Es ist zugleich die Voraussetzung für eine differenzierte Beschäftigung mit dem Leitthema II („Religion“), das sich unmittelbar dem Religionsthema zuwendet und den inhaltlichen Schwerpunkt der gemeinsamen Arbeit ausmachen soll. Der entscheidende Punkt ist dabei, dass mit Verzicht auf eine analytische Religionsdefinition ein historischer Zusammenhang zwischen beiden nicht vorausgesetzt werden kann, sondern er muss historisch konkret erwiesen werden. Die bisherige vorgängige Verschränkung beider Ansätze ermöglichte es nur ungenügend, der differenzierten Diskurslage gerecht zu werden. Ein gutes Beispiel ist das Christentum. Während für den liberalen Protestantismus im 19. Jahrhundert in der Tat der enge Zusammenhang zwischen einer Christentums- und einer Religionstheorie charakteristisch ist, sieht das für die römisch-katholische Kirche anders aus. Zwar lässt sich der Ultramontanismus ohne weiteres als Beispiel für die Ausbildung religiöser Uniformität heranziehen (Bayly 2006: 423, 600), aber diese ultramontane Form der Uniformierung ist nicht mit einer Selbstzuschreibung als „Religion“ verbunden (Feil 1986–2007). Ein genauerer Blick auf Hinduismus und Buddhismus im 19. Jahrhundert zeigt übrigens auch schnell, dass diese sich keineswegs immer eindeutig als „Religion“ positioniert haben, sondern z. T. dezidiert behaupteten, gerade keine „Religion“, sondern stattdessen „Wissenschaft“, „Philosophie“ oder „Nation“ zu sein. Kurzum, aufgrund dieser Diskussionslage scheint es ein vielversprechender Ansatz zu sein, beide Perspektiven zu trennen.
In Aufnahme der These von Christopher Bayly werden im Sinne von Leitthema I (Uniformierung) alle Dissertationsvorhaben danach fragen, inwieweit eine „Uniformierung und Homogenisierung der Weltreligionen“ zu beobachten ist. Dies bedeutet zunächst, den Stellenwert von Konzepten wie „Christentum“, „Buddhismus“ oder „Hinduismus“ für die Artikulation der Identität der jeweils eigenen Gruppe herauszuarbeiten. Diese sollen umfassend untersucht werden.
Es wird besonders auf neue vereinheitlichende Tendenzen zu achten sein. Die jeweiligen Konzepte werden dabei in ihrem kulturellen, sozialen und politischen Kontext betrachtet. Es soll keine Ideengeschichte betrieben werden, sondern Diskursanalyse. Diskurse werden von dem Promotionskolleg als gesellschaftliche und immer auch politische Praxis verstanden, die damit auch über einen materiellen Charakter verfügen und nicht als etwas rein Geistiges missverstanden werden dürfen (Laclau/Mouffe 1991). Von daher wird hier auch geprüft, inwieweit sich vereinheitlichende Konzepte etwa mit neuen Institutionalisierungen der Lehrautorität verbinden, sei es durch Betonung der Laienautorität, wie z. B. in vielen hinduistischen und buddhistischen Reformbewegungen, oder durch Zentralisierung der Hierarchie wie z. B. im katholischen Ultramontanismus. Auch die teils gravierenden sozialen Umwälzungen, die sich in Asien durch die politische Durchsetzung neuer Verständnisse von „Religion“ ergaben, werden Gegenstand der Forschung im Promotionskolleg sein.
Die Konzentration auf die großen „Weltreligionen“ erfolgt im Leitthema I nicht, um sie in diesem Status zu reifizieren, sondern nur im Nachvollzug der These Baylys, die damit zugleich kritisch überprüft wird. Letzteres soll auch dadurch ermöglicht werden, dass mit dem US-amerikanischen Transzendentalismus und der Theosophischen Gesellschaft zusätzlich zwei der wichtigsten alternativreligiösen Strömungen des 19. Jahrhunderts thematisiert werden, in denen die positiven Entitäten wie „Christentum“, „Hinduismus“ und „Buddhismus“ einfach durch „Religion“ ersetzt werden.
Es ist weiterhin zu untersuchen, ob es zu Interferenzen mit anderen Konzepten kommt, entweder in Form von Abgrenzung oder durch deren Integration, z. B. in Bezug auf Nation, Wissenschaft etc. Ein gutes Beispiel wäre der Buddhismus oder die Theosophie, die sich z. T. als „Wissenschaft“ oder „Philosophie“ verstehen, um sich von „Religion“ abzugrenzen.
Bei Dissertationsvorhaben, in denen sich die jeweiligen Entitäten dezidiert als „Religion“ verstehen, kommt es hier formal zu Verdopplungen mit Themenstellungen des zweiten Leitthemas. Wie bereits erläutert, ist dies jedoch ausdrücklich gewollt, da nur so die besagte Trennung der beiden Perspektiven, mit der das Promotionskolleg einen besonderen Akzent setzen will, methodisch konsequent umgesetzt werden kann.
Jedes Dissertationsvorhaben soll im Sinne von Leitthema II („Religion“) danach fragen, welche positiven und negativen Bestimmungen von „Religion“ in den Quellen artikuliert werden sowie ob und, wenn ja, wie diese auf die vier Entitäten des ersten Leitthemas bezogen werden. Für diese Selbstvergleiche spielt die konzeptuale Dezentrierung ebenfalls eine zentrale Rolle: Wird „Religion“ mit universalistischen Ansprüchen versehen? Hierher gehört zum Beispiel das Konzept einer universalistischen „Religion“ der Zukunft. Zugleich wird gefragt, wie „Religion“ mit traditionellen Konzepten korreliert wird, z. B. durch die Gleichsetzung von „shūkyō“ und „Religion“ in Japan. Wie in Leitthema I sollen auch die Interferenzen zwischen „Religion“ und anderen Konzepten untersucht werden, insbesondere „Moderne“, „Säkularismus“ (evtl. auch „Atheismus“, „Materialismus“, „Säkularisierung“), „Bildung“/„Erziehung“, „Wissenschaft“, „Philosophie“ sowie „Nation“.
2. Vergleich und Beziehungsanalyse
Die im Promotionskolleg zugrunde gelegte genealogische Historisierung und Dezentrierung sowie die beiden Leitthemen stellen das gemeinsame Forschungsprogramm vor besondere Herausforderungen, da, wie betont, der inhaltliche Zusammenhalt der Dissertationsvorhaben nicht durch die Zugrundelegung eines gemeinsamen heuristisch-analytischen Konzeptes erfolgen kann. Auch lassen sich nicht zwischen allen Dissertationsvorhaben direkte historisch-philologische Abhängigkeiten aufweisen. Von daher gehen in einem globalgeschichtlichen Ansatz Vergleich und Beziehungsanalyse Hand in Hand. Der Untertitel von Baylys Globalgeschichte trägt demgemäß auch den bezeichnenden Titel „globale Beziehungen und Vergleiche“ (global connections and comparisons) und auch Osterhammel unterstreicht: „Beziehungsanalyse und Vergleich können und müssen geschmeidig miteinander kombiniert werden“ (Osterhammel 2009: 16). Dabei hat Osterhammel ebenfalls hervorgehoben, dass zwischen Beziehungs- bzw. Transferanalyse und Vergleich spätestens seit dem 19. Jahrhundert keine grundlegende Differenz mehr besteht. Es gibt seit dem 19. Jahrhundert auch zwischen weit entfernten Kulturen keine „kontakt- oder transferlosen Vergleiche“: „Auch Fernvergleiche sind daher für das 19. und besonders das 20. Jahrhundert zumeist Vergleiche zwischen Einheiten, die miteinander durch reale Kontakte verbunden waren.“ (Osterhammel 2003: 442). Als Konsequenz dieses notwendigen Zusammenspiels unterschiedlicher Analyse-Ebenen will das Promotionskolleg in der gemeinsamen Arbeit vier verschiedene historische Zugriffe auf die Globalgeschichte zur Anwendung bringen:
a. Fremdvergleich: Der eigentliche Fernvergleich, in dem der Vergleichsgegenstand von dem Forschenden erstellt wird, allerdings unter der Voraussetzung des Vorhandenseins von „realen Kontakten“ zwischen den zu vergleichenden Einheiten. Auf diese Weise wird der Vergleichsgegenstand „Uniformierung“ für das Leitthema I gewonnen.
b. Selbstvergleich: Weiterhin finden sich in den Quellen selbst Vergleiche durch dort formulierte Vergleichsgegenstände, die globale historische Relationen zumindest einseitig herstellen. Auf diese Weise wird der Vergleichsgegenstand „Religion“ für das Leitthema II gewonnen, denn alle Dissertationsvorhaben müssen so konzipiert sein, dass dort Religion im Selbstvergleich thematisiert wird. Aber auch im Leitthema I spielt der Selbstvergleich eine Rolle. Im Zusammenhang mit Universalismus und Tradition wird die Frage gestellt, ob und wenn ja, inwiefern „Christentum“, „Islam“, „Hinduismus“ oder „Buddhismus“ jeweils explizit mit universalistischen Ansprüchen versehen werden. Dazu gehört auch der Bezug auf den jeweils anderen, wenn sich z. B. der Reform-Hinduismus in Indien dezidiert vom Islam abgrenzt. Zugleich bildet der jeweilige Traditionsbezug den komplementären Referenzpunkt.
c. Indirekte Beziehungsanalyse: Indirekte historische Beziehungen können dadurch aufgespürt werden, dass sich die Quellen, die in den jeweiligen Dissertationsvorhaben bearbeitet werden, auf dieselben zeitgenössischen Themen beziehen. Die indirekte Beziehungsanalyse wird den Schwerpunkt der gemeinsamen inhaltlichen Arbeit ausmachen. Im Zuge der Globalisierung im 19. Jahrhunderts erhalten bestimmte Komponenten des westlichen Wissens eine überaus weite Verbreitung. In der bisherigen gemeinsamen thematischen Arbeit hat die Vorbereitungsgruppe drei verschiedene Themen und ihnen zugehörige Quellen identifiziert, die in allen Dissertationsvorhaben der ersten Förderperiode Berücksichtigung finden sollen. Es ist davon auszugehen, dass sich im Laufe der weiteren Arbeit andere Themen und Textbestände finden werden, die für die Markierung indirekter historischer Beziehung von Interesse sind und die der späteren Erforschung bedürfen. Zunächst sollen aber alle Dissertationsvorhaben eine Rezeption der folgenden drei Themenfelder berücksichtigen:
1. Religionskritik des 19. Jahrhunderts, wie z. B. Ernest Renan, David Friedrich Strauß und Ernst Haeckel.
2. Christliche Mission in Gestalt der Missionsbewegung des 19. Jahrhunderts.
3. Philologien des 19. Jahrhunderts, wie z. B. historische Bibelexegese, Indologie, Semitistik/Arabistik.
Mit Konzentration auf diese drei zentralen Themen, die in allen regionalen Kontexten, die das Promotionskolleg untersucht, eine wichtige Rolle spielen, soll gesichert sein, dass alle Dissertationsvorhaben durch eine gemeinsame vergleichende Perspektive miteinander ins Gespräch gebracht werden können. Diese drei Themen sollen weiterhin auf dem Workshop im dritten Jahr (siehe f.) unter Beteiligung von auswärtigen Referenten eigens bearbeitet werden.
d. Direkte Beziehungsanalyse: Zwischen den Dissertationsvorhaben können auch direkte historische Beziehungen existieren, die es dann in der gemeinsamen Arbeit innerhalb des Promotionskollegs zu rekonstruieren gilt. In der bisherigen gemeinsamen Diskussion der Antragsteller tauchten immer wieder Hinweise auf neue unerwartete und bisher unbekannte direkte historische Zusammenhänge auf. Von daher sind während der Arbeit des Promotionskollegs viele neue Entdeckungen zu erwarten. Durch diese wird auch eine topographische Dezentrierung materialhaft sichtbar werden, insofern sich ein komplexes Geflecht von Beziehungen zwischen den einzelnen Dissertationsvorhaben ergibt.
3. Regionale Konkretisierungen und mögliche Promotionsthemen
Die Vernetzung der Promotionsprojekte geschieht nicht durch bereits vorher festgelegte Promotionsthemen. In allen beteiligten Disziplinen wäre dies kein praktikables Vorgehen, weil dies unmöglich machen würde, entsprechend hervorragend qualifizierte Promovierende zu gewinnen. Absolut verbindlich für alle Promotionsthemen ist aber, dass sie umfassend die beiden Leitthemen bearbeiten und die genannten drei Themenfelder der indirekten Beziehungsanalyse erforschen. Dies bildet den Bezugspunkt der gemeinsamen thematischen Arbeit des Kollegs. Im Folgenden werden, regional konkretisiert, mögliche Promotionsthemen genannt, die für die Bearbeitung im Kolleg geeignet wären:
Nordamerika (Stievermann): Seit Beginn des 19. Jahrhunderts bildeten sich, unter Aufnahme theologischer, religionskritischer, historisch-philologischer und naturwissenschaftlicher Diskurse aus Europa, innerhalb der liberalen Strömungen des amerikanischen Protestantismus universalistische Religionskonzepte heraus (Leitthema II), die ein gemeinmenschliches religiöses Bewusstsein sowie dessen evolutionäre Entwicklung postulieren und diese Vorstellung z. T. auch in missionarischen Kontexten umsetzen (Dorrien 2001). Radikale Spielarten solcher Konzepte finden sich im amerikanischen Transzendentalismus, für den die progressive Verwirklichung der Idee einer rein moralisch-spirituellen Menschheitsreligion zum zentralen utopischen Anliegen wird (Versluis 1993). Dabei weisen die jeweiligen Bestimmungen des Religionskonzeptes stets normative Hierarchisierungen (in der Regel nach Kriterien wie dem Grad der metaphysischen Abstraktion und der Ethisierung) und auch Ausgrenzungen religiöser Traditionen auf. Auch werden konservativere Strömungen innerhalb der eigenen Religion als niedrigere Entwicklungsstufen repräsentiert. Auf diese Weise werden die eigenen Traditionen normiert und uniformiert (Leitthema I). Mögliche Dissertationsthemen sind:
- Der Einfluss der Free Religious Association auf
den liberalen Religionsdiskurs und ihre internationalen Vernetzungen nach
Indien und Japan
- Die strategischen Anverwandlungen und Umdeutungen liberaler Religionskonzepte seitens von Vertretern der durch einen „internal colonialism“ unterdrückten Minderheiten innerhalb der USA (African Americans, Native Americans)
Europa (Bergunder/Nüssel): Im
Europa des 19. Jahrhunderts verändert sich im Gefolge der Aufklärung das
christliche Selbstverständnis in nachhaltiger Weise und es kommt zu einer
zunehmenden Homogenisierung (Leitthema I). Der liberale Protestantismus
beginnt sich über eine Christentumstheorie zu definieren und die römisch-katholische
Kirche schließt im Ultramontanismus ihre Reihen (Nowak 1995, Arnold 2007). Die
christliche Missionsbewegung wird zum Auslöser einer ersten ökumenischen
Bewegung (Stanley 2009). Hintergründe dieser Entwicklung sind der
Rechtfertigungsdruck des christlichen Glaubens vor einer zunehmend
selbstbewussten Religionskritik und einer Expansion der außereuropäischen
Philologien (Kippenberg 2007). In dieser Situation entsteht ein neues
komparatives Religionsverständnis (Leitthema II), das sich allmählich auch im
Christentum durchsetzt. Esoterische Strömungen wie die Theosophische
Gesellschaft hatten entscheidenden Anteil an der Ausgestaltung und globalen
Diskussion dieses neuen Religionsverständnisses (Hanegraaff 2012). Mögliche
Dissertationsthemen sind:
- Die Entwicklung eines komparatistischen
Religionsverständnisses bei Herman Schell
- Die Bedeutung des Advaita Vedanta für Paul Deussens Philosophie und deren Rezeption in Indien
Südasien (Harder/Bergunder): Nicht
zuletzt unter dem Stichwort Kommunalismus hat die Forschung immer wieder
beschrieben, wie sich im 19. Jahrhundert Hindu- und Muslim-Identitäten
homogenisieren (Leitthema I). Der Einfluss westlicher Religionskritik, orientalistischer
Forschung und christlicher Mission auf diese Entwicklung ist allgemein
anerkannt, und das Selbstverständnis als „Religion“ spielt eine zentrale Rolle
(Leitthema II) (Harder 2001, King 1999, Hatcher 2008). Für die komplexen
Umdeutungen von Begriffen wie dharma,
mata, dīn
und maḍhab/maẕhab, welche hier angenommen werden, sind aber zahlreiche
wichtige Aspekte ungeklärt, weil die Eigenständigkeit regionaler Entwicklungen
oft unterschätzt wird. So verspricht das Beispiel Bengalen zu demonstrieren,
wie stark sich muslimische Debatten zum Thema an den entsprechenden
Hindu-Debatten orientieren, während die nordindische Diskussion um din unabhängiger und weniger an dharma-Konzepten orientiert zu sein
scheint. Der tamilische Kontext zeigt, wie brüchig das panindische
Hinduismus-Konzept ist. Mit Berufung auf „Religion“ bilden sich hier auch
konkurrierende Identitäten – Prozesse, bei denen die Theosophische
Gesellschaft eine wichtige Vermittlerin ist (Bergunder et al. 2011). Mögliche
Dissertationsthemen sind:
- Neue Religionsverständnisse in Urdu- und
englischsprachigen Diskursen kolonialzeitlicher nordindischer Muslime (ca.
1850–1947)
- Der Einfluss der Theosophischen Gesellschaft und des Spiritismus auf Maraimalai Adigal, den Begründer des Pure Tamil Movement
Japan (Krämer): Im japanischen
Buddhismus bildete sich eine gemeinsame Identität (Leitthema I) als
„Buddhismus“ (mit Bezugnahmen auf Buddhismen in anderen Kulturen und
Gesellschaften) sowie eine klare Trennung in distinkte buddhistische Schulen (wenn
auch auf der Grundlage von bedeutenden Vorarbeiten seit dem 17. Jahrhundert)
erst im globalen 19. Jahrhundert heraus. Nur schwer davon zu trennen ist die
zeitgleiche Entstehung der Entität „Shintō“, überdies in enger Wechselwirkung
mit Vorstellungen der japanischen Nation (Hardacre 1989). Diese erstmalige
Fassung einzelner „Religionen“ geschah zeitgleich mit der Aneignung eines
Begriffs von „Religion“ (Leitthema II) in intensiver Auseinandersetzung mit
europäischen Diskussionen. Hierbei spielten von Anfang an (1870er Jahre) Texte
sowohl christlicher Provenienz als auch der Religionskritik eine Rolle sowie
kurz darauf (seit den 1880er Jahren) solche der europäischen Philologie, die
insbesondere im Buddhismus zur Rekonstruktion der nun als solche verstandenen
Grundlagen der eigenen Lehre und dann zur massiven Reformulierung ebendieser
führten (Ketelaar 1990, Krämer 2013). Mögliche Dissertationsthemen sind:
- Die Erfindung des „Zen“: Transformationen und Uniformierungen des Sōtō-Zen-Buddhismus, ca. 1880–1920
- Die Anfänge japanischer buddhistischer Mission
in Asien (v. a. China und Korea) seit den 1870er Jahren